Anna und Eric Standop
Persönlichkeit

Gesichtlesen – Quatsch oder Ernst?

Es gibt über sieben Milliarden Menschen auf der Welt und jeder hat ein anderes Gesicht. Aber wir alle haben etwas gemeinsam: Augen, Nase, Ohren, Mund. Und alle Menschen reagieren auf Emotionen, Gefühle und Gedanken. All das ist sichtbar, damit wir kommunizieren können und verstehen, wer der Andere ist. 

Wer bist du? Diese Frage sollten wir anderen Menschen öfters stellen. Heutzutage fragen wir andere meistens zu Beginn: Was machst du?Es ist nicht mehr so wichtig, wer du bist, sondern was du tust“, stellt Eric Standop, Experte im Gesichtlesen, traurig fest. „Nur, wenn du genau sagen kannst, was du tust und es ist etwas Besonderes, Gerechtfertigtes oder Verlässliches, dann hast du deine Existenzberechtigung.“

Eric Standop – Vom Esoteriker zum Experte im Gesichtlesen

Wer bist du? Diese Frage hat sich Eric Standop bei seinem zweiten Burnout vor 15 Jahren auch gestellt. Er hat seinen Job in der Unterhaltungsindustrie verlassen und ist durch die Welt gereist. „Mir wurde alles viel zu viel. Visitenkarte, Position, Geld, das sah alles ganz gut aus, aber wofür? Ich hatte das Gefühl, ich habe mich völlig verloren“, erzählt er.

In einer Bar in Südafrika hat er einen Gesichtleser kennengelernt, über den er sich zunächst lächerlich machte. Nach einigen Informationen über seine Persönlichkeit, begann dieser jedoch alles runter zu rattern, was Erics Gesicht zum Thema Gesundheit zu sagen hatte, wie Beschwerden mit dem Dünndarm und Leistenbrüche. „Wie kann man das alles im Gesicht lesen?“, fragte sich der Speaker. 

So kam es dazu, dass er kurze Zeit später mit einem deutschen Gesichtleser zwei Jahre lang durch Europa zog. Bei ihm lernte er, die Gesundheit, Ernährung und Persönlichkeit zu lesen. Vor 13 Jahren hat Eric dann sein erstes Office eröffnet. Doch es lief nicht gut. „Es lag vielleicht an mir, ich stand einfach nicht dazu“, meint Standop. Eines hat er nicht verstanden: „Ich brauche Authentizität und ich habe eine Story zu erzählen. Stattdessen wollte ich den großen Obermacker spielen.“

Daraufhin ist er nach Südamerika. Bei einem Kolumbianer lernte er einige Monate Liebe, Partnerschaft und Sexualität lesen. Ist das möglich? Standop gibt ein Beispiel: „Wenn du jemanden gut kennst, wird dir auffallen, wenn die Person sich verliebt und du kannst es dir nicht erklären. Irgendetwas hat sich im Gesicht verändert, dass das klarmacht.“

Danach ist Eric direkt nach China. Im Mandarin Oriental wurde ihm ein Job angeboten, ein voller Erfolg. Nach acht Jahren war er nun kein Vollpfosten und Esoteriker mehr. Ein Jahr später begann er eine sechsjährige Lehre bei einem chinesischen Großmeister. Durch das Lernen europäischer, südamerikanischer und chinesischer Techniken stellte er fest: „Wir Menschen sind alle unterschiedlich und doch sind wir alle gleich.“ 

Heute leitet der Experte eine eigene Akademie und arbeitet im Silicon Valley. Seitdem die Industrie das Gesicht entdeckt hat und es Gesichtserkennung in Smartphones gibt, verstehen ihn Menschen auf einmal. 

Darum ist Gesichtlesen kein Quatsch

Viele Menschen hielten Standops Arbeit für Quatsch und glaubten nicht, dass man etwas im Gesicht lesen kann. „Warum schule ich Polizisten in Verhörmethoden? Warum interessieren sich immer mehr Ärzte aus der integrativen Medizin für Merkmale im Gesicht, wenn es um gesundheitliche Mängel geht? „Wir kennen doch den Spruch: Du siehst aber gar nicht gut aus, bist du krank?“, sagt der Experte. „Wir liegen oft damit richtig, weil jemand anders aussieht, wenn er krank ist als wenn er gesund ist.“

Wir alle sind Gesichtleser. Im Hypothalamus haben wir einen Kern, der nichts anderes zu tun hat, als Gesichter zu erkennen. Dieser Bereich wird von klein auf gefördert. Wir alle haben ihn und können ihn trainieren, in dem wir Menschen immer wieder genauer anschauen. „Wir sollten schauen, was ein Gesicht wirklich erzählt“, fordert Standop.

Grenzen des Gesichtlesen

2012 war für Eric Standop der schwerste Moment im Gesichtlesen: „Ich dachte immer, dass es das Schwerste ist, als Vollidiot hingestellt zu werden.“ 2012 ist sein Vater an ALS erkrankt. Kurz vor seinem Tod fielen dem Speaker alle 12 Zeichen des Todes von Hippokrates von Kos bei ihm auf. Ein Mensch sieht anders aus, wenn er stirbt als wenn er noch am Leben ist. Laut Standop gibt es Merkmale dafür, wie etwa Augenbrauenverlust. „Die sind nicht da, um uns Angst zu machen, sondern um uns Zeit zu geben, noch Sachen zu klären“, meint der Gesichtleser. „Für mich war es sehr schlimm“, beichtet Standop. „Noch schlimmer war, dass er vier Wochen vor seinem Tod seine Gesichtsmuskeln nicht mehr bewegen konnte. Ich konnte ihn nicht lesen, weil er keine Mimik zeigen und nicht sprechen konnte. Ich als Gesichtleser war hilflos.“ Die Einzige, die ihn noch lesen konnte, war seine Mutter. „Das hat mich unheimlich fasziniert“, staunt der Speaker. „Da habe ich auch gesehen, wo Gesichtleser an ihre Grenzen stoßen. Nichts ist so stark wie eine tiefe Verbindung zwischen zwei Menschen, wenn sie ehrlich ist und auf Gegenseitigkeit beruht.“

Teil 2: Was verrät dein Gesicht?

 

Quelle: Eric Standop zum Thema Gesichtssprache – NN-ExpertenForum 2019
Bild:Norbert Neubauer

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