
Gehirn vs Computer
Viele Menschen vergleichen das Gehirn mit einer Art Rechenmaschine. Stimmt das wirklich? Wie funktioniert unser Gehirn? Wie entsteht ein Gedanke? Werden in Zukunft Maschinen oder Menschen die Welt regieren? Neurowissenschaftler Henning Beck zieht einen Vergleich.
Ein Computer rechnet 3,4 Milliarden mal pro Sekunde, Nervenzellen im Gehirn maximal 500 mal pro Sekunde. Computer machen einen Rechenfehler in einer Billion Rechenschritte, Gehirne hingegen einen pro 1000 Rechenschritte. Computer können sich weltweit verknüpfen. Das Gehirn beschäftigt sich zu 99% mit sich selbst. „Das Gehirn ist alles andere als eine perfekte Rechenmaschine“, folgert Beck. Warum funktioniert es dann doch?
Wir Menschen verstehen in einem Sekundenbruchteil Dinge. Wir brauchen maximal 40 Rechenschritte, um uns jeden Gedanken vorzustellen, der in unserem Kopf möglich ist. Bilderkennungssoftwares brauchen für dieselbe Aufgabe Millionen Rechenschritte. Es scheint, als kennt das Gehirn einen Geheimgang, wie man mit sehr wenig Rechenschritten aus einzelnen Sinneswahrnehmungen ein Bild im Kopf erzeugt.
Was ist das Geheimnis des Denkens?
Computer rechnen mit Algorithmen. Algorithmen sind Rechenvorschriften, die dem Computer sagen, was er tun muss. Ein Computer geht Aufgaben immer in drei Schritten an: Aufgabe erkennen —> Aufgabe verarbeiten (= Rechnen) —> Ergebnis.
Gehirne arbeiten anders. Wenn wir einen Gedanken in unserem Kopf erzeugen, aktivieren wir Nervenzellen. „Nervenzellen an sich sind ziemlich dumm. Eine Nervenzelle alleine kann nichts“, meint der Hirnforscher. „Aber wenn sie sehr viele haben, im Gehirn etwa 80 Milliarden, entsteht etwas Erstaunliches.“ Die Nervenzellen aktivieren und deaktivieren sich gegenseitig und übrig bleibt eine Art Muster. Dieses Muster nennen wir einen Gedanken. Ein Gedanke ist nicht irgendwo im Gehirn abgespeichert. Wir werden einen Gedanken niemals finden, da er ein Produkt ganz vieler Nervenzellen ist.
Künstliche Intelligenz lernt durch ständiges Wiederholen von Aufgaben. Menschen können sofort verstehen. Wir denken in Kategorien. Als Beispiel nennt Henning Beck Stühle. KI lernt, dass Stühle zu 98% Objekte sind, die vier Beine, eine Lehne und eine Sitzfläche haben. Menschen verstehen, dass ein Stuhl nicht ein Objekt mit einer besonderen Form ist, sondern etwas, auf dem man sitzen kann.
Menschen schreiben die Zukunft
Was ist die wichtigste Ressource unserer Zeit? Beck erklärt: „ Als Antwort bekomme ich immer wieder: Daten. Firmen sammeln Daten, wir erzeugen Daten, wir nutzen Daten.“
Daten an sich sind jedoch tot. Daten sind Zeichen. Sie verändern nicht die Welt. Wenn man Daten anwendet, um einen Sachverhalt zu beschreiben, erhält man Informationen. Informationen sind heute permanent verfügbar. Aber Informationen sind nicht Wissen! Daten und Informationen können wir googeln, Ideen oder Wissen nicht. Denn Wissen und Ideen sind das, was in unseren Köpfen passiert, wenn wir die Art verändern, wie wir denken. Menschen können verstehen und Zusammenhänge begreifen. Menschen können Neues wagen, testen und experimentieren ohne zu wissen, ob etwas stimmt oder funktioniert. Wir tauschen uns mit anderen aus. Wir sind offen für Neues. „Das kann man nicht digitalisieren“, meint der Biochemiker. „Das bleibt auf absehbare Zeit analog und wird nicht durch Künstliche Intelligenz ersetzt.“
Teil 2: Lernen: So vergisst du nie wieder!
Quelle: Henning Beck zum Thema Geisteskraft – NN-ExpertenForum 2020
Bild: Anna Neubauer


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