Anna und Jens Weidner, an einen Tisch gelehnt
Optimismus

Werde zum Best-Of-Optimisten!

„Ist ihnen eigentlich klar, wie schön sie sind? Und wie intelligent sie sind? Und wie sie sich das auch reinziehen sollten, wie eine Droge?“, fragt Prof. Dr. Jens Weidner sein Publikum in der Tafelhalle Nürnberg. „Wissen sie, danach sind sie glücklich. Ganz viele Kreativdirektoren in der Werbung koksen, um in diesen Zustand zu kommen. Das biete ich ihnen hier so. Seien sie mal dankbar.“ Das Publikum lacht lauthals los.

Jedes Unternehmen, jeder Mitarbeiter, jeder Mensch braucht Optimismus. Er hilft, schwierige Situationen zu meistern und positiv nach vorne zu schauen. Realismus ist die notwendige Bremse. Kriminologe, Management-Trainer und Vorstandsmitglied des Deutschen Wirtschafts-Clubs der Optimisten, Jens Weidner, kennt die richtige Dosierung.

5 Optimismustypen

Laut dem Referenten gibt es in Deutschland, Österreich und der Schweiz ingesamt fünf Optimismustypen. „Von denen riechen vier nach Ärger, sind aber besser als jede depressive Form von Pessimismus“ witzelt Weidner. „Es gibt aber Einen, das ist so ein richtiger Gewinner-Typ, nennen wir ihn Best-of-Optimist.“ Nur dieser ist wirklich tauglich mit Sicht auf Risiko, Nutzen und Erfolgsbilanz.

Zweck-Optimist: „Ich habe hier etwas Einmaliges“

  • Meister im Schönreden
  • Kämpferischer Typ, trotz geringer Erfolgsaussichten
  • Hält durch, um Bewunderung zu ernten
  • Hoher Energieaufwand & hohes Burnout-Risiko
  • Reißt dich mit überzeugenden Worten in den Abgrund

Hoffnungsvoll naiver Optimist: „Ich bin eine glatte 10“

  • Visionär mit grenzenlosem Ego
  • Zu risikofreudig
  • Kurzfristig erfolgreich
  • Charmant, witzig
  • Problem-ignorant
  • Kaum Rücksicht auf Nahestehende

Verdeckt heimlicher Optimist: „Ich nehme das Schlimmste an, dann kann es nur besser werden“

  • Wunsch nach Wachstum, ohne Bestehendes zu ändern
  • Geringe Risikobereitschaft
  • Wenig Ehrgeiz aus Angst vor Enttäuschung
  • Zeigt sich bescheiden, aber überholt von hinten
  • Nice-Guy-Attitude: schlängelt sich durch
  • Keine Positionierung

Fatalistischer Optimist: „Das wird schon“

  • Schicksalsgläubigkeit
  • Begeisterungsfähighig, aber inkonsequent
  • Unrealistische Träume
  • Wertschätzt, was er hat
  • Dankbar, froh
  • Halbherzige Anstrengungen, kein Leistungsträger

Best-Of-Optimist

  • Maßvolle Risikobereitschaft wechselt mit Konsolidierungsphasen
  • Bewältigte Krise fördert die Überzeugung es zukünftig zu packen
  • Machbarkeits-Analyse plus gesunder Menschenverstand
  • Meister der Risikoeinschätzung: bemerkt drohenden Ärger
  • Duchamp-Lächeln: authentisches Lächeln mit Krähenfüßen

Jens Weidner auf der Bühne

Was macht einen Best-Of-Optimisten so erfolgreich?

Above-Average-Effekt

Der Favorit von Jens Weidner ist der Above-Average-Effekt. Übersetzt: sich über dem Durchschnitt fühlen. „Wir wissen natürlich, dass sie alle normal sind. Wir sind nicht über dem Durchschnitt, aber darum geht es nicht“, erklärt der Professor, „dass sie denken sie sind es, das ist das Entscheidende.“ Du sollst dich also so richtig geil fühlen.

Dazu sollen wir laut Weidner eine Liste mit Punkten anlegen, was an uns richtig toll ist. Was findest du an dir selbst richtig genial? Was sagen Andere, was richtig toll an dir ist?

Der Kriminologe macht diese Sammlung mittlerweile seit drei Jahren. Seine Liste besteht jetzt schon aus 33 Punkten. „Mir hat eine Kollegin mal gesagt: Du riechst gut“, schmunzelt Weidner. „Das habe ich dann als Kompliment genommen, wobei man ja im zweiten Moment denkt: Wie riechst du sonst, wenn sie dir das heute sagt? Aber das ist egal. Wir nehmen was wir kriegen.“

Deine persönliche Liste solltest du dir dann immer wieder durchlesen. „Ich glaube mittlerweile an die. Das nennt mein Kollege, der ist Psychiater, eine narzisstische Störung“, witzelt der Speaker. „Aber das ist eine Störung, die glücklich macht.“

„Jetzt werde ich kritisiert. Zum Beispiel letztes Jahr im November. Ich leite eine Fakultät und ich habe drei Entscheidungen getroffen, die alle drei falsch waren. Drei Mal völlig vergeigt. Dann war eine Leitungskonferenz. Der Hochschulpräsident war da. Es wurde darüber gesprochen was ich vergeigt habe. Vor der gesamten Mannschaft. Damit wir aus den Fehlern lernen und so weiter“, erzählt der Professor. „Mein Optimismus geht im ersten Moment ein bisschen runter. Ich gucke dann auch betroffen und sag: Wichtiger Punkt, ich denk darüber nach. Die ganze Scheiße erzähle ich dann. Innerlich denk ich aber: Mein Gott, jetzt steht es 3 zu 33, du bist so unglaublich weit vorne.“

Dieser Above-Average-Effekt, diese kleine Selbstlüge, führt dazu, dass wir natürlich weiter Fehler machen und kritisiert werden, aber wir sind glücklich dabei. „Egal wenn du scheiterst, egal wenn das nicht klappt, du probierst es aus“, sagt Weidner. „Mich stört Kritik nicht mehr, denn 33 holt keiner ein.“

Konsequenzen des Above-Average-Effekt:
–> Stabilere Gesundheit
–> Bessere Arbeitsleistung
–> Du lebst im Durchschnitt 19% länger

Sekundärer Optimismus

Weidner stimmt auch für den sogenannten sekundären Optimismus, der in Deutschland sehr bekannt ist. Deutsche sind auf den zweiten Blick optimistischer als man im ersten Moment denkt. Wir zeigen uns öffentlich meist zurückhaltend und skeptisch. Wir haben bei aller Entwicklungsfreude Angst vor dem Neuen. Das Neue zerstört immer alte Traditionen. Für Innovationen wird man gehasst. Bewährtes wird infrage gestellt und das verunsichert. Das Alte gilt nicht mehr und das Neue ist noch nicht erworben. Nicht alles Neue begeistert. Deshalb sind nach Weidner Zweifel und die kritische Prüfung des Neuen eine kluge Strategie. Auch für Optimisten. Bei Projekten empfiehlt er diese vier Schritte:

1. Nachdenken, um die Chancen und Risiken zu realisieren
Zuerst denkt über eine Idee oder ein Projekt nach. „Boah, da denkt man in Deutschland unheimlich viel nach. Man macht noch eine Arbeitsgruppe und denkt da nochmal nach. Man denkt so lange nach, dass es einem schon auf den Sack gehen kann“ lacht Weidner. „Aber das ist nicht das Schlechteste.“

2. Entscheiden
Dann kommt man irgendwann zu einer Entscheidung. Die Entscheidung sagt „klappt“ oder „klappt nicht“.

3. Das Projekt bei positiver Entscheidung durchziehen
Wenn die Entscheidung klappt, kommt das Prinzip des Durchziehens mit ganz langem Atem. Dafür steht Deutschland laut Weidner: „Leute haben hier eine Ausdauer und einen langen Atem!“

4. Mögliche Kritik abperlen lassen
Wenn das Projekt umgesetzt wird, kommt Kritik. Es gibt so viele Kritiker. Aber die lässt man abperlen. „Wissen sie warum?“, fragt der Kriminologe. „Weil sie jetzt schon 33 Punkte auf ihrer Liste haben.“

Dieser Vierklang bringt die Erfolgsgeschichte Deutschlands. Erst auf den Realitätscheck folgt der Turbolader. „Nachdenken und Abwägen werden international gerne als »German Angst« benannt. Dabei ist das nicht ängstlich“ meint Weidner. „Es verhindert spontane, nicht durchdachte Handlungen, die gut gemeint, aber nicht gut gemacht sind.“

Optimistischer im Alltag

Kein ABER
„Wenn sie eine Tür verschließen wollen, sagen sie ABER. Wenn sie eine negative Grundstimmung haben wollen, sagen sie ABER. Wenn sie ihrem Liebsten wirklich auf den Sack gehen wollen, sagen sie ABER“, scherzt Weidner. „ABER ist immer das Ende einer optimistischen Kommunikation.“ ABER zu sagen, wenn Menschen Träume haben, ist der Tod aller Fantasie.

Gemeinsamkeiten suchen
Laut Weidner öffnen Gemeinsamkeiten immer die Tür zum Optimismus, zu einer positiven Grundstimmung. „Gemeinsamkeit ist wunderbar“, meint der Speaker. „Sagen sie ihrem Partner mal: Ich empfinde das wie du. Der dreht durch. Der macht ihnen einen zweiten Antrag.“

Umgib dich mit Menschen, die dir gut tun
Das geht zwar nicht zu 100%, aber viel mehr als wir denken. Mache mehr mit den Menschen, die dir gut tun. Gehe auf Distanz bei den Menschen, die dir Energie rauben. „Reduzieren sie auf das Minimum. Geben sie falsche Termine an, nennen sie denen falsche Räume“, scherzt der Professor. „Tun sie die weg aus ihrem Leben.“

Vorfreude schaffen
Vorfreude ist wichtig. Sie garantiert Tagträume, Fantasien, Nervenkitzel, Endorphine. Vorfreude multipliziert gute Gefühle. Wenn du im Business bist und jemandem etwas gutes tun willst, zum Beispiel eine Gehaltserhöhung oder ein Lob, dann sage nicht: Komm mal in mein Büro, du kriegst eine Gehaltserhöhung. Sage: Ich müsste in drei Tagen nochmal mit dir sprechen, es geht um etwas total Schönes, aber ich schaff es im Moment nicht. Wenn du für deinen Freund eine Überraschung hast, sage nicht: Hier ist die Überraschung. Sage: Ich hab was für dich, aber das ist so schön, das klappt erst in drei Tagen. „Der dreht durch“, lacht Weidner. „Der ist jetzt schon glücklich.“

Optimistischer im Unternehmen

Kritisiere nie öffentlich. Lobe aber immer öffentlich
„Deutschland ist kein Land der Lobkultur. Hier machen sie hundert Sachen richtig und kein Mensch verliert darüber ein Wort. Machen sie zwei Sachen falsch, haben sie eine Feedbackgruppe am Hals“, meint Weidner. Laut ihm sollen wir nur unter vier Augen und in gedämpfter Tonlage kritisieren. So verliert niemand sein Gesicht. Öffentliche Kritik führt immer zu einer Kränkung des Gegenübers und zu einem Absturz von Optimismus.

Folge in der Kritik dem LKL-Prinzip (Lob Kritik Lob)
Ansonsten ist der Gegenüber genervt von der Kränkung. Das Lob sollte aber auch wirklich zutreffen. „Mit dem LKL-Prinzip gehen die Menschen happy aus ihrem Büro raus, obwohl sie ihnen einen eingeschenkt haben“, grinst Weidner.

„Wenn sie etwas optimistisch nicht mehr hinkriegen, dann ist es wichtig, dass sie nicht nur optimistisch, sondern auch unangenehm wirken können“, sagt der Kriminologe. Begegne deinem Gegenüber, der es nicht so gut mit dir meint, eher streng, eher nicht reagierend, eher ignorierend. Es ist wichtig, dass wir beide Karten ziehen können. An Optimismus glauben und ihn fühlen, aber die hässliche Seite spielen können.

 

Quelle: Prof. Dr. Jens Weidner zum Thema Optimismus – NN-ExpertenForum 2018
Bilder: Anna Neubauer

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